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Zwischenzeit e.V.






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Filmkritik aus PERIPHERIE Nr. 133 - http://www.zeitschrift-peripherie.de/

Wenn das Land zur Ware wird

Die Zerstörung der Lebensgrundlagen der indigenen Bevölkerung in Chiapas/Südmexiko.

Münster: Zwischenzeit e.V. 2013 (DVD) 71 Minuten

Der von Brot für die Welt und der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW geförderte Dokumentarfilm macht an drei Bereichen exemplarisch Strategien der Inwertsetzung (Elmar Altvater) sichtbar, die ganze Regionen für Prozesse der Verwertung von global nach Anlagemöglichkeiten suchendem Kapital erschließen. Die mit Begriffen wie „Akkumulation durch Enteignung“ (David Harvey) oder neuerdings „Landnahme“ (Klaus Dörre) belegten, der Ausweitung der Verwertungsräume des Kapitals dienenden Prozesse in den von Dorit Siemers und Luz Kerkeling beleuchteten Beispielen des plantagenförmigen Anbaus von Ölpalmen, der Durchdringung von Regionen durch die Tourismusindustrie und der Versuche der Konzentration der ländlichen Bevölkerung in den Bergregionen von Chiapas in sog. Landstädten (ciudades rurales) entsprechen den elementaren Vorgängen, die Marx unter der Überschrift der „sogenannten ursprünglichen Akkumulation“ apostrophiert hat, nämlich der Loslösung der unmittelbaren ländlichen Produzent_innen von Boden und Land als ihrem primären Produktionsmittel und ihrer gewaltsamen Verwandlung in Lohnarbeiter_innen des Kapitals. Die Kommodifizierung des Landes und der Arbeitskraft der auf ihm lebenden Arbeitsbevölkerung ergreift die beiden vom Kapital nicht selbst (re-)produzierbaren Springquellen des gesellschaftlichen Reichtums, Boden und Arbeit, deren Fruchtbarkeit und Produktivität zugleich dauerhaft untergraben werden. Die Durchdringung der indigenen Lebensräume wird angetrieben von der Suche nach mineralischen, energetischen und biologisch/genetischen Ressourcen, die mit offenen Minen, Staudämmen, Straßen und Tourismuszentren die „Lebensadern“ der Region öffnen. Sie fügen sich in die „Entwicklungsstränge“ ein, die im sog. Plan Puebla-Panama bzw. neuerdings dem Proyecto Mesoaméricano zu einer Vision für Mexiko und Zentralamerika zusammen geschnürt sind.

Der Anbau der Afrikanischen Palme, deren Früchte und Kerne in vielen industriellen Produkten von Margarine über Kosmetika bis zum Agrar-Diesel vielfältige Verwendung finden, schreitet in Chiapas rasch voran. Entlang der Pazifikküste zur Südgrenze mit Guatemala, aber auch in den Regionen von Marquez de Comillas und Palenque werden die Ländereien kleinbäuerlicher Produzenten und indigener Gemeinden in Monokulturen verwandelt und das Land seiner hohen Biodiversität beraubt.

Der Film zeigt in klaren und eindrucksvollen Bildern diesen Transformationsprozess, der das Land ausräumt und entvölkert, und lässt Fürsprecher_innen und Gegner_innen zu Wort kommen. Die Anbauflächen sollen nach den Regierungsplänen, an denen auch private Investmentfonds wie Fondo Chiapas beteiligt sind, von bislang ca. 50.000 Hektar auf 900.000 Hektar ausgeweitet werden, etwa einem Zehntel der Fläche von Chiapas. Neben der Plantagenproduktion von Kaffee und Zuckerrohr bedrohen weitere Monokulturen wie Jatropha die Lebengrundlagen der Landbevölkerung in der Selbstversorgung auf der milpa. Zugleich formiert sich der Widerstand in den Gemeinden, wie Gespräche mit Repräsentanten von San Sebastian Bachajón verdeutlichen.

Wie der Vertreter von Fondo Chiapas verkündet, „verkauft Chiapas an erster Stelle seine Naturschönheiten, an zweiter Stelle steht der ethnische und folkloristische Reichtum und an dritter Stelle die historischen Monumente der kolonialen und prä-kolumbianischen Architektur“. Diese Attraktionen werden, wie im Tourismus-Park Amiku im Cañón de Sumidero, gebündelt zu „culturas vivas“ und verbunden mit Ausflügen in indigene Gemeinden, vermarktet.

Der Film konzentriert sich auf die Region zwischen San Cristóbal de las Casas im Hochland und Palenque im westlichen Tiefland; die beiden Städte sollen mit einer Schnellstraße verbunden werden. An deren Trasse liegen u.a. die Naturschönheiten von Agua Azul in einem 2.500 Hektar großen „Schutzgebiet von Flora und Fauna“, das zurzeit jährlich ca. 300.000 Besucher_innen anzieht. Die Landesregierung eignet sich auf unterschiedlichen Wegen Land für den Bau von Straßen, Hotels und Infrastruktureinrichtungen an. Dabei versteht sie es immer wieder, die Landgemeinden durch Lockangebote einerseits und Drohungen andererseits zu spalten.

Systematische Konfrontationen mit und unter den Bäuerinnen und Bauern führen zu Vorwänden für die Stationierung von Polizei und Militär. Regierungsnahe Gruppierungen greifen Gemeinden in der Region an, die sich, wie Bolom Ajaw, zur Bewegung der Zapatistas rechnen. Die Durchdringung der Region mit Straßen und Einrichtungen des Tourismus ist so auch Teil der militärischen und politischen Aufstandsbekämpfung.

Kontrolle der Bevölkerungsbewegungen und Aufstandsbekämpfung (counterinsurgency) stehen auch im Hintergrund der „nachhaltigen Landstädte“, die nach den Worten des ehemaligen Präsidenten Felipe Calderón der Bekämpfung der Armut in der Region dienen, deren Gründe nach seinen Worten unter anderem darin liegen, „dass die Leute so verstreut sind, weit verteilt, weit entfernt auf den Hügeln, in den Bergen, in den Tälern, in den Wüsten“.
Die jeweils auf mehrere tausend Einwohner_innen projektierten Städte werden von public private partnerships finanziert. Die beteiligten Firmen, u.a. Nahrungsmittelkonzerne, Medien- und Pharmaunternehmen versprechen sich Monopolstellungen und Imagegewinne.

Die Einwohner_innen sollen an neue Konsummuster und Arbeitsformen, etwa in Manufakturen der Fahrrad- oder Möbelherstellung, gewöhnt werden. Die hier Angesiedelten beklagen den Verlust an nachbarschaftlicher Kommunikation, schlechte Versorgung, mangelhafte Bauweise und insbesondere die Entfremdung vom Land und von Lebenssicherheit bietender Eigenproduktion.

Der Film zeigt gescheiterte Projekte der Einkommensschaffung (Rosenzucht, Stuhlmontage) in Santiago el Pinar, einer der vier bisher in Chiapas aus dem Boden gestampften Landstädte, und spricht mit Bewohner_innen, die sich der Ansiedlung nach und nach wieder entziehen. Die existierenden Landstädte sind eher im Niedergang begriffen, neue scheitern an der organisierten Landbevölkerung.

So konnte die christlich-pazifistische Organisation Las Abejas den Bau der Landstadt in Chenalhó verhindern. Ohne Berücksichtigung der Bedürfnisse potenzieller Bewohner_innen geplant, hastig und schlecht ausgeführt, stellen diese Städte trotzdem einen integralen Bestandteil der großräumigen Landnahme, der Vertreibung der ländlichen Produzenten und ihrer kontrollierten Umwandlung in Arbeitskräfte des vordringenden Kapitals dar. Zugleich dienen sie als Dispositive der Kontrolle einer sich staatlichen Zugriffen entziehenden und damit als bedrohlich empfundenen Bevölkerung.

Der Film eröffnet Zugänge zu den Bewohner_innen der Region, den indigenen Gemeinden und den von ihnen ausgehenden Widerstandsbewegungen. Diese benötigen, wie es zum Schluss heißt, keine paternalistische Hilfe, sondern demokratische Strukturen und Respekt vor ihren Lebensentwürfen.
Mit seiner klaren Sprache, seiner eingängigen Aufbereitung der Probleme und seiner begründeten Stellungnahme eignet sich der Film gut für die Verwendung in der Bildungsarbeit und in Schulen. Zweihundert Kopien der spanischen Fassung sollen Gemeinden und Organisationen in Südmexiko für ihre Arbeit in der educacion popular zur Verfügung gestellt werden.

Prof. Dr. Hanns Wienold



Kurzrezension aus Direkte Aktion Nr. 221 – Januar/Februar 2014

Südmexiko: Kapitalismus wie früher

Marxisten streiten sich bis heute, ob die „sogenannte ursprüngliche Akkumulation“ als einmaliger Prozess am Anfang des historischen Kapitalismus gemeint war oder als immer wiederkehrende Raubstrategie, um Kapital anzuhäufen. Wer sich den neuen Film „Wenn das Land zur Ware wird“ des Vereins ZwischenZeit e.V. anschaut, kann nur zu dem Schluss kommen, dass der zweite Fall der zutreffende ist: Die gewaltsamen Landenteignungen für Agrar- und Tourismusprojekte im Süden Mexikos haben eine frappierende Ähnlichkeit mit der Zerstörung des Gemeineigentums in der frühen Neuzeit. Dorit Siemers und Luz Kerkeling geht es dabei auch darum, den aktuellen Begriff von „Entwicklung“ zu kritisieren und damit auch das, was sich hierzulande Entwicklungshilfe schimpft und meist doch nichts anderes ist als die Förderung der eigenen Wirtschaft. Nicht zuletzt ist es der Widerstand vor Ort, der im Fokus des Filmteams steht: Das Produktionsteam lässt in erster Linie die Betroffenen zu Wort kommen und ihren Bezug zum Land erklären und dokumentiert die Protestformen.

Thorsten Bewernitz



Filmbesprechung aus: Radio Onda, Dezember 2013, http://www.npla.de/de/onda/

Filmrezension: ,,Wenn das Land zur Ware wird"

Der umtriebige Verein Zwischenzeit aus Münster hat einen Dokumentarfilm über Chiapas gemacht: "Wenn das Land zur Ware wird" erzählt ruhig und informativ über die Bedrohung der indigenen Gemeinden in Südmexiko durch Monokulturen, Infrastrukturausbau, Tourismusprojekte und Repression. Diese Beispiele für neoliberale und technikgläubige ,,Entwicklungsprojekte" greifen direkt oder indirekt die Lebensgrundlagen und Lebensweisen der Indigenen an und schädigen die Umwelt. Wir stellen euch den Film vor.

=> Link zum Text- und Audio-Beitrag auf Radio Onda



Filmbesprechung aus: Graswurzelrevolution Nr. 383, November 2013, www.graswurzel.net

Wenn das Land zur Ware wird

Wie im Deckmäntelchen der „Entwicklungshilfe“ Lebensgrundlagen privatisiert werden


Was passiert eigentlich, wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird? Die Folgen sozialer Ausgrenzung durch Privatisierung und Kom­merzialisierung des öffentlichen Raumes mag man in manch deutscher Großstadt be­reits am eigenen Leib erfahren haben. Eine ganz neue Qualität desselben Prozesses hat die zunehmend aggressive Landnahme in Mexiko erreicht. Der Dokumentarfilm „Wenn das Land zur Ware wird“ vermittelt die Folgen der Privatisierung des Landes am Beispiel indigener Gemeinden in Chia­pas (Mexiko) anschaulich und eindrucksvoll. Monokulturen, „Öko“-Tourismus und „nachhaltige“ Landstädte – dies sind die drei Beispiele, an denen die Folgen der Privatisierung des Landes für die indigene Bevölkerung und die Umwelt erläutert werden. Was im selbstlosen Gewand von „Entwicklungsprojekten“ daherkommt, ist in Wahrheit knallharte Zerstörung kleinbäu­erlicher Existenzen. Jedem Thema ist ein Kapitel gewidmet, in dem jeweils die Intentionen der Projekte samt ihrer Marketingkampagnen dargestellt werden, gefolgt von kri­tischer Aufarbeitung ihrer realen, zumeist niederschmetternden sozialen, ökologischen und ökonomischen Folgen. In einem vierten, abschließenden Kapitel stellt der Film die einzelnen Projekte in einen Ge­samtzusammenhang und zeigt Alternativen und Widerstände auf.

Zentrale Botschaft der Dokumentation ist dabei: Anstatt paternalistischer „Entwicklungshilfe“ brauchen die indi­genen Gemeinden vor allem autonome, demokratische Strukturen. Die engagierten Filmema­cher*innen lassen sowohl lokal agierende Unternehmer und Verfechter des neoliberalen Landraubs, als auch zahlreiche Aktivist*innen, Landarbei­ter*innen, Wissenschaftler*in­nen und Vertriebene direkt zu Wort kommen. So wird der vielfältige und oft totgeschwiegene Widerstand von der – hier wörtlich zu nehmenden – Graswurzel sichtbar gemacht. Zahlreiche persönliche Statements der Bevölkerung illustrieren die Fakten, die die Sprecherin präsentiert. So werden komplexe Zusammenhänge plastisch und verständlich vermittelt. Einzig die Akteure und Interessen überwiegend westlicher Unternehmen und Industriestaaten, die durch der Privatisierung des Landes enorme Ge­winne einfahren, hätten im Film weiter herausgearbeitet werden können. So bleiben die internationalen politischen und wirtschaftlichen Ursachen etwas im Dunkeln. Andererseits überfordert der Film so mit seinen 71 Minuten Spielzeit die Zuschau­er*innen nicht und lässt genug Raum, sich selbständig weiterführende Gedanken zu machen.

Mit „Wenn das Land zur Ware wird“ liegt ein sehr empfehlenswerter, informativer und ansprechender Dokumentarfilm zu den Folgen neoliberaler Privatisie­rungspolitik vor. Während der Film durchaus für sich stehen kann, ist er gleichzeitig Teil eines Bildungsprojektes des gemeinnützigen Vereines Zwischenzeit e.V. („Aufstand der Würde“, „Der Garne­lenring“), zu dem eine Ausstellung, eine Homepage, sowie weitere Lehr- und Lernmateria­lien gehören. Eine ausgezeichnete Wahl für alle Lehrenden, Lernenden und Neugierigen, die sich auch unter dem Weihnachtsbaum gut macht.

Mathias Schmidt


Vorankündigung aus der Zeitschrift graswurzelrevolution (März 2013) [PDF-Dokument 750 KB]